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AutorenbildLaura

17. Orientalische Märchenhochzeit

Für die Einladung auf eine Hochzeit in Usbekistan verschieben wir unsere ersten Tramper-Erfahrungen in zentral Asien gerne noch etwas nach hinten. Zusammen mit unserer Gastgeberin Dinora tanzen wir unter Regen und Sternen zu orientalisch-russischen Klängen.

orientalische Dächer in Samarkand

Eigentlich wollten wir uns heute an unseren ersten Tramper Versuch in zentral Asien wagen. Wagen deshalb, weil hier gefühlt jedes Auto ein Taxi ist oder spontan dazu wird, wenn es ein paar tausend Som dazu zu verdienen gibt. Über die für uns ungewöhnlich hohen Zahlen hatten wir ja schon im letzten Beitrag geschrieben. Wir sind deswegen nicht sicher, ob das Konzept „trampen“ hier existiert. Unsere digitalen ReisefreundInnen haben uns schon einen Tipp mitgegeben. So sollen wir immer den Satz fragen: „Taksi ili par puti?“. Das bedeutet so viel wie: „Taxi oder auf dem Weg?“. Damit haben sie gute Erfahrungen gemacht. Digitale FreundInnen deshalb, weil wir uns nur über Instagram kennen, trotzdem fühlen wir uns verbunden. Die beiden Reisen ebenfalls per Anhalter und sind auf ziemlich genau derselben Route unterwegs. Sie sind uns ein paar 100 bis 1000 Kilometer voraus, je nachdem wer von uns gerade „trödelt“ und haben uns schon viele hilfreiche Tipps mit an die Hand gegeben. Wir hoffen noch darauf uns bald auch im „echten Leben“ zu begegnen, aber irgendwie bekommen wir Ole und Pauline nicht eingeholt. Bis dahin sind wir aber auch für den digitalen Austausch dankbar, der neben nützlichen Tipps und Tricks aus allerlei lustigen Anekdoten und Geschichtchen besteht, die nicht selten nur Leute glauben können, die ebenfalls per Anhalter reisen.

Hier geht es zu den Reisegeschichten der beiden: tentasians


Mit dem Trampen wird es dann heute aber doch nichts. Denn als wir am Morgen auf unser Handy schauen lesen wir:

„Do you want to join me on a wedding later?“ –

„Möchtet Ihr mich später auf eine Hochzeit begleiten?“

Dinora unserere Gastgeberin in Samarkand, zu der wir heute wollen, lädt uns überraschend ein, sie auf die Hochzeit einer Cousine zu begleiten und ja, natürlich wollen wir. Einzige Voraussetzung wir müssen vor 17:00 Uhr bei ihr sein. Von Bukhara sind es ca. 300 km und 4,5 Stunden. Da wir uns die Hochzeit natürlich nicht entgehen lassen möchten, ändern wir unseren Plan und nehmen ein „Taxi Kollektivo“. Den Bus zuvor haben wir knapp verpasst, deswegen müssen wir in Verhandlungen mit den Taxi-Fahrern treten und dann natürlich noch auf weitere Fahrgäste warten, bis das Auto voll ist - „Taxi Kollektivo“ halt. Dann geht es endlich los durch die usbekische Steppe, in die nächste orientalische Wüstenstadt. Die Straßen sind aus einfachem Beton, sodass wir zwar schnell vorankommen, dafür etwas an Komfort einbüßen.


Als wir einen kurzen Stopp an der Tankstelle einlegen, probieren wir die ersten usbekischen Käsebällchen. Die Kugeln aus getrocknetem Joghurt gibt es in unterschiedlichen Reife, böse Zungen könnten auch von Härtegraden sprechen. Wir erwischen ein sehr reifes/hartes Bällchen, dass mit Paprikagewürz ummantelt ist und ein weiches, geräuchertes. Leider sind unsere russischen Kenntnisse trotz der festen Vorsätze russisch zu lernen, quasi nicht vorhanden. „Ja. Das russische Alphabet können wir. Aber dann hört es nach einer Hand voll Vokabeln leider auch schon wieder auf und wieder einmal ärgern wir uns darüber.“


Unsere Anspannung zur Frage, ob wir es rechtzeitig zur Hochzeit schaffen fällt im gleichen Maße ab, wie unsere Anspannung steigt, ob wir nicht direkt in ein usbekisches Krankenhaus fahren, so düst unser Fahrer. Wir kommen eine Stunde früher als von Maps angegeben an und schaffen es sogar noch unter die Dusche bevor es zur Hochzeit geht.


Dinora war im letzten Sommer in Europa unterwegs, die meiste Zeit ihres dreimonatigen Auslandaufenthalts verbrachte sie dabei in Deutschland. Wir können es selbst gar nicht so recht glauben, als sie uns von der in Deutschland erlebten Gastfreundschaft erzählt, freuen uns aber sehr, dass sie so gute Erfahrungen in unserem Heimatland gemacht hat. Denken wir doch sonst immer, die Deutschen seien kühl und distanziert. Hier hat sie auch von Couchsurfing erfahren und durfte selbst die Erfahrung machen, in die für sie fremde deutsche Kultur einzutauchen. Nun möchte sie uns die ihre zeigen und was gibt es da Besseres als der Besuch einer Hochzeit

 

Eintritt in einen orientalischen Palast

Wir wissen gar nicht wo wir zuerst hinschauen sollen, als wir ins Foyer eintreten. Zuallererst sind da nicht eine, sondern sechs Bräute in weißen Prinzessinnenkleidern, die uns begrüßen. Wir sehen Dinora fragend an: „Sind wir auf einer Doppel- bzw. Sechsfachhochzeit?“. Sie lacht und klärt uns auf, dass es keine Bräute, sondern Tänzerinnen sind. Als wir noch an einem roten Porsche und dem Kamerateam vorbeilaufen, fragen wir uns einmal mehr, ob wir mit unseren Trekkingsandalen und Wanderschuhen wohl am richtigen Platz sind. Dann werden wir zu unserem Tisch geleitet. Prunkvolle Girlanden und unzählige Blumen schmücken den Kuppelsaal, dessen Dach geöffnet ist und die Sicht auf den Abendhimmel freigibt. Auf den Tischen türmen sich Delikatessen „aller Herren-Länder“ und die KellnerInnen füllen jede Lücke mit weiteren Köstlichkeiten, bis man nicht mehr sieht, welche Farbe das Tischtuch hat. Bier, Wein oder Sekt gibt es nicht, wir starten direkt mit Vodka und alle wollen mit den Deutschen anstoßen. Die usbekische Bevölkerung gehört zwar mehrheitlich dem Islam an, Dinora und ihre Familie gehören jedoch zum russischen Teil der Bevölkerung, deswegen wird auf der Hochzeit ganz unverhohlen Alkohol getrunken. Wir hatten ein bisschen Sorge, wie die Leute wohl auf uns reagieren, sind wir ganz offensichtlich keine Familienmitglieder. Aber die Sorgen waren unbegründet. Wir werden von allen herzlich begrüßt.


usbekische Hochzeit

Auf einer Bühne mit einem Moderationsteam werden aufwendige Tanz- und Gesangshows dargeboten. Ein Filmteam begleitet den Abend. Außerdem gibt es natürlich noch das Brautpaar selbst, das es zu bestaunen gibt. Alles ist für uns total abgefahren und wir sind überfordert von den vielen Eindrücken.


Zwischen den Gängen, Tanzaufführungen und Musikacts wird getanzt. Irgendwer zerrt uns immer mit auf die Tanzfläche, wo zuerst unter Regenwolken und später unter den Sternen getanzt wird. Wir fangen an die Atmosphäre und die ausgelassene Stimmung zu genießen. Sicherlich trägt auch der Vodka seinen Teil dazu bei, dass wir unsere anfängliche Anspannung fallen lassen können.


Familienessen in Samarkand

In den folgenden Tagen bleiben wir noch bei Dinoras Familie in Samarkand. Dinora zeigt uns die Stadt mit ihren Palästen und wunderschönen Moscheen. Außerdem feiern wir noch „Beshik Tui“ von Dinoras Neffen, das zufällig in die Zeit fällt, die wir bei der Familie sind. Dieses traditionelle Familienfest wird zu Ehren des neugeborenen Familienmitglieds 7, 14 oder 21 Tage nach der Geburt gefeiert. Dinoras Bruder wohnt mit seiner Frau und dem Sohn ebenfalls im großen Haus der Familie, das etwas außerhalb des Stadtzentrums liegt. Da der Kleine noch ganz frisch auf dieser Welt ist, ist auch Dinoras Schwester gerade im Haus. Sie wohnt mit ihrem Mann und Kindern eigentlich im Stadtzentrum hilft aber gerade bei der Betreuung der ganz Kleinen. Sie ist Hebamme und dadurch auch eine große fachliche Unterstützung für die junge Mutter. Wir haben den Eindruck, dass insbesondere Dinoras Mama den Trubel, der mit den kleinen Enkeln einhergeht sehr genießt. Auch mit der Kommunikation läuft es für uns sehr gut. Dinoras Geschwister sprechen ebenfalls sehr gut Englisch. So ist immer jemand Zuhause mit dem wir uns unterhalten können und so kommen wir schnell aus dem oberflächlichen Smalltalk hinaus. Stattdessen geht es schnell um unterschiedliche Lebenskonzepte, Zusammenleben mit der Familie und eigene Wertevorstellungen.

deutsches Gebäck und usbekische Melonen

Wir werden in Samarkand (kulinarisch) verwöhnt. Wir möchten auch gerne etwas von unserer (Essens)kultur einbringen und uns erkenntlich zeigen. Dabei geht es gar nicht darum den materiellen Wert zurückzugeben. Das würde ohnehin nicht zugelassen werden. Wir möchten etwas backen und müssen selbst dafür schon „kämpfen“ als Gäste ebenfalls etwas zum Familienleben beisteuern zu dürfen. Über die Rosinenschnecken und Apfeltaschen, die wir zu einem großen Sonntagsfrühstück backen, wird sich dann aber doch sehr gefreut. Etwas Selbstgemachtes ist immer eine gute Wahl.


Und so wird uns wohl die unglaubliche Gastfreundschaft von Dinora und ihrer Familie die schönste Erinnerung an Samarkand bleiben, bei der selbst die atemberaubenden Sehenswürdigkeiten der Stadt diesmal etwas in den Hintergrund rücken.



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