Es geht es für einen Abstecher nach Tadschikistan - neue Freunde aus dem 36Std. Zug besuchen. Später wieder zurück in Usbekistan treffen wir in einem kleinen unscheinbaren Dorf hinter der Grenze, einen absolut weltoffenen und internationalen Ort.
Auf den Weg nach Tadschikistan machen wir unsere ersten Tramper-Erfahrungen in zentral Asien - endlich. Und es klappt erstaunlich gut. Innerhalb von fünf Minuten haben wir eine Mitfahrgelegenheit bei einer jungen Frau. Es läuft „Tarkan“ (türkischer Pop-Sänger) im Radio und nach sieben unvergesslichen Wochen in der Türkei fühlen wir uns direkt wohl. Auf dem Weg zur Grenze treffen wir dann noch auf Kabul einem besonders gastfreundlichen Usbeken. Bei einer usbekischen Melone, denn das sind ja schließlich die Besten der Welt, stellt sich heraus, dass er ebenfalls reiselustig ist.
Unsere Sorgen waren also (mal wieder) unbegründet. Es ist definitiv nicht so, dass alle Autos, die uns mitnehmen möchten Taxis sind oder sich sofort in solche formatieren. In unseren Augen empfiehlt es sich trotzdem Bargeld in kleinen Scheinen dabei zu haben, da es durchaus üblich ist sich an den Spritkosten etc. zu beteiligen. So vermeiden wir unangenehme Situationen, Diskussionen und Missverständnisse.
Besuch bei FreundInnen aus dem 36-Stunden-Zug
Eine Einladung von unserer zuvor beschriebenen Zugfahrt von Kasachstan nach Usbekistan können wir dann tatsächlich noch wahrnehmen. Leider nicht zu Abdulmutalib, obwohl das bestimmt auch ein herzliches Wiedersehen geworden wäre. Wir besuchen Krusher, der nahe der usbekischen Grenze in Tadschikistan wohnt. Er arbeitet im Speisewagen „Rommel“, den er damals Chris in einer exklusiven Führung zeigte. Die nächsten Tage hat er aber frei und möchte uns seine Heimatstadt zeigen. Chris hofft auch das ein oder andere Rezept zu erfahren. Vielleicht von den leckeren Nudeln im Speisewagen, zumindest war das der Plan. Einen Tag vor unserer Ankunft erfährt Krusher jedoch, dass er spontan für einen Kollegen einspringen muss. Er ist zwar gestern erst von der siebentägigen Zugfahrt zurückgekommen, doch muss er heute direkt wieder los. Von Khujand 6 Std. in die Hauptstadt Duschanbe, von dort 3 Tage durch Usbekistan, Kasachstan nach Russland. Ein halber Tag Pause und wieder drei Tage zurück durch die Wüste bis nach Tadschikistan. Wir dürfen trotzdem zu ihm kommen und lernen seine Freundin Nigina kennen, die nicht minder freundlich ist und wohl noch mehr enttäuscht, dass Krusher direkt wieder los muss und sie sich jetzt stattdessen um 2 Gäste kümmern darf.
Genauso freundlich ist aber auch Ihr Bruder, den wir am Abend telefonisch kennenlernen. Er hat ein Jahr in Deutschland bei Verwandten gelebt. Während dieser Zeit hat er in Dortmund gewohnt und ist in Essen zur Schule gegangen. Als er von den Sportangeboten in Essen schwärmt, die er regelmäßig besucht hat, kommen mir viele bekannt vor. Ich frage nach und tatsächlich er war auf der Gesamtschule mit der unsere Uni kooperiert. Obwohl die Zeit schon lange zurück liegt, spricht er fließend Deutsch und erinnert sich sogar an die Namen der Studierenden, die mittlerweile DozentInnen am Sportcampus sind. Wie klein ist bitte wieder diese Welt, denken wir in der kleinen Küche, in Tadschikistan, weit weg von zu Hause.
Gerne würden wir ihn und seine Familie über die Nationalfeiertage in Duschanbe besuchen, aber es ist schon Mitte September und bis zu meinem Geburtstag am ersten Oktober möchten wir gerne in der Mongolei sein. Freuen wir uns zwar jetzt auf kühlere Temperaturen in der Mongolei, wird es ab November zu kalt für uns sein. Außerdem sind Anfang Oktober Nationalfeiertage in China und auch wohl einige Grenzübergänge und alle Geschäfte in der Zeit geschlossen. Keiner weiß welche Grenzübergänge betroffen sind und wie lange. Aber in mehreren Artikeln und Foren haben wir von Leuten gelesen, die nicht ein- oder ausreisen konnten aufgrund der nationalen Feiertage und wir wollen das Risiko nicht eingehen.
Umso wertvoller ist es, dass wir mit Nigina direkt ins tadschikische Leben eintauchen können. Sie zeigt uns ihren Stadtteil, die Essenskultur und erzählt aus ihrem Leben. Wir gehen zusammen Plov essen, besuchen eine Kirmes, die zum Flanieren am kühlen Abend einlädt. Wieder mal ziehen wir alle Blicke auf uns, gibt es doch nur sehr wenige Touristen hier und die schauen sich höchstens die Moschee und den Bazar an und verschwinden am Abend in dem einen einzigen Hotel der Stadt. Auf der Kirmes Zuckerwatte essend, haben die Kinder noch keine Ausländer gesehen.
Als wir erfahren, dass unsere Gastgeberin genauso verrückt nach Kuchen ist wie Laura, tut sich eine wunderbare Gelegenheit zum kleinen Revanchieren auf. Und so schlemmen wir uns noch am späten Abend durch die verschiedenen Kuchen der besten Konditorei der Stadt, dessen Schaufenster wir kurz vor Ladenschluss noch plündern. Zurück in der Wohnung probieren wir uns also durch Nusskringel, Dattelsahne und Baklava während wir versuchen unsere Knabbereien vor Kitty dem Katzenbaby zu verstecken. Kitty wohnt erst ganz frisch bei Nigina ist super süß, möchte aber alles essen. Obwohl wir alle keine Katzenbaby-ExpertInnen sind, sind wir uns einig, dass Sahnetorte wohl nicht das richtige für sie ist.
Ein weltoffenes Dorf
Eigentlich wollten wir von Tadschikistan direkt weiter nach Kirgisistan. Als Kinder der reisefreien EU können wir es kaum glauben, dass die Grenze derzeit, also seit ein paar Jahren, nicht zu überqueren ist. Grenzen zu passieren ist für uns sonst glücklicherweise eine Selbstverständlichkeit. Wir googlen immer wieder, fragen in sämtlichen Foren und bei anderen Reisenden nach, aber der Grenzübergang scheint tatsächlich geschlossen. Die Alternativen sind nun das Trampen über den kompletten Pamir Highway zu einem anderen, sehr abgelegenen Grenzübergang. Zu diesem waren die Rezensionen, dass er gelegentlich geöffnet sei, aber aufgrund der anstehenden Tadschikischen Nationalfeiertage es wohl für die nächste Woche wahrscheinlich nicht ist. Für uns etwas zu ungewiss, den langen Umweg durch das Pamirgebirge auf uns zu nehmen, um dann ggf. in einer Sackgasse zu sitzen. Nur mit dem Rucksack unterwegs können wir nicht so viel Essensvorräte mitnehmen um ggf. 1-2 Wochen vor dem Grenzübergang zu zelten. Deswegen werden wir von Tadschikistan wieder nach Usbekistan und von dort weiter nach Osch, in die zweitgrößte Stadt in Kirgisistan reisen.
Auf unserem Weg nach Kirgisistan müssen wir durch den abgelegenen westlichen Teil Usbekistans, der durch Landwirtschaft und kleinere Orte geprägt ist. Zufällig entdecken wir in diesem hinteren Zipfel des Landes eine Couchsurferin, die sehr aktiv zu sein scheint. Wir sind neugierig auf die Englischlehrerin, die ihr Haus der Welt öffnet. Von der Grenze Tadschikistan - Usbekistan geht es zunächst in einem völlig überfüllten Bus nach Kokand. Also Großraum Kokand, denn tatsächlich wohnt unsere Gastgeberin in einem kleinen Dorf weit davor. Als wir in Beshariq aussteigen gefällt uns der Ort direkt. Die Straße ist trubelig. Kinder in Schuluniformen decken sich an den kleinen Kiosken mit Süßigkeiten ein und spielen auf dem Marktplatz.
Auch wir verspüren einen kleinen Hunger und wollen nicht ausgehungert bei unserer Gastgerberin einfallen. Laura wartet auf einer Bank, während Chris usbekisches Tandoori Brot kauft. Eine Gruppe von Schulmädchen, alle in adretter Uniform, steht in der Nähe, tuschelt kurz und schickt schließlich jemanden vor Kontakt aufzunehmen. Kurz darauf stehen sie alle im Kreis um Laura. Die fünf sprechen sehr gut Englisch und so kommt neben der Fotosession, um die sie gebeten haben, ein lebhaftes Gespräch zustande. Wir sind beeindruckt von ihren unerwartet guten Englischkenntnissen und Zukunftsplänen, bei denen fast alle im Ausland studieren möchten. Zu dem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, dass die guten Englischkenntnisse der SchülerInnen im Ort, mehr oder minder alleine auf das immense Engagement unserer Gastgeberin zurückzuführen sind.
Wir ziehen weiter und halten kurz inne, um einen Blick auf die Karte zu werfen. „Yes, this direction“, schreit es hinter einem baumelnden Rinderbein hervor. Wir schauen uns irritiert an. Dann tritt die Stimme in Erscheinung. Der Metzger fragt, ob wir zu Nasiba wollen. Wir bejahen. Es sei eine Freundin von ihm und da es im Ort kein Hotel gibt, wollen die meisten AusländerInnen zu ihr. Er erklärt uns schnell den Weg, wir schauen uns noch mit überexpressionistischer Mimik bewundernd die Kickboxfotos des Sohnes eines Kunden an und dann ist der Metzger wieder hinter der Theke und der nette stolze Herr wieder auf der Straße verschwunden.
Kurze Zeit später läuft ein Mädchen neben uns, sie stellt sich als Nasibas Assistentin vor und bringt uns zum Haus unserer Gastgeberin. Die selbsternannte Assistentin, ein Mädchen von ungefähr 10 Jahren, spricht fließend Englisch. Sie verbringt ihre Nachmittage in Nasibas Haus und da gibt es eigentlich immer jemanden, mit dem sie auf Englisch sprechen kann. Denn Nasiba bietet nicht nur ihre Couch an, sondern auch Freiwilligenarbeit. So werden wir an diesem Nachmittag nicht nur von Nasiba, sondern auch von Patrick und Fabienne begrüßt, die gerade für ein paar Wochen hier sind und im Englischunterricht helfen.
Eigentlich wollten wir nur eine Nacht bleiben und schnellstmöglich über die Grenze nach Kirgistan, aber nun sind wir neugierig auf die Schule. Wir beschließen zu verlängern und Nasiba zu begleiten. Wir sind beeindruckt, was sie hier leistet. Mit vielen Freiwilligen zuvor hat sie ihren Klassenraum neu gestaltet, ein paar englische Bücher besorgt und eine kleine Leseecke eingerichtet. Die SchülerInnen sprechen nicht nur super Englisch, sie sind auch sehr interessiert.
Uns fällt es schwer, so schnell weiterzuziehen, doch wir können leider keine großen Stopps in den nächsten Wochen einlegen. Der Winter in der Mongolei gibt uns einen Zeitplan vor und den müssen wir einhalten.
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