Der Samstag begrüßt uns mit Regen. Da es den Tag über eher schlimmer, als besser wird, fällt unsere geplante Kneipentour in Bamberg (im wahrsten Sinn des Wortes) ins Wasser. Anschließend geht es weiter Richtung Schiefergebirge. Hier gilt es für uns einige Höhenmeter zu überwinden, um über die "Grüne Grenze" ins ehemalige Ost-Deutschland zu gelangen.
Das Frühstücksbuffet im Nürnberger Hilton war einfach zu verlockend. So ausgiebig hatten wir schon länger nicht mehr gefrühstückt. Wir futterten und futterten und hatten kurzzeitig vergessen, dass wir zwar nur eine kürzere Etappe hatten, die 70km aber trotzdem bezwungen werden mussten. Das rächte sich insofern, dass sich die Fahrt doppelt so lang und dreimal so anstrengend anfühlte.
Wir fuhren also weiter Richtung Norden und folgten dem Main-Donau-Kanal zum Tagesziel Bamberg. Es ging wie am Tag zuvor wirklich echt lang am Kanal entlang, was den Radweg an sich etwas eintönig machte. Dafür war er gut ausgebaut und man konnte sich nicht allzu groß verfahren. Ging ja wie gesagt nur am Kanal entlang :-D.
Auf der Hälfte der Strecke trafen wir unseren altbekannten Rivalen, den wir eigentlich nicht vermisst hatten - Waagerechter Regen. Sprich Regen mit starkem Gegenwind. Das Regenradar zeigte auch bereits an, dass für den Tag keine Besserung in Sicht war. Wir zogen also das Tempo an und wollten nur noch ankommen. Die heiße Dusche und eine Waschmaschine war der heilige Gral des Tages.
Unseren Plan, uns die Stadt anzuschauen haben wir dann auf nächsten Vormittag verschoben. Im Regen hatten wir ohnehin keine Lust mehr und das Restaurant auf dem Campingplatz "Insel" roch einfach zu verlockend. Außerdem hatten sie so viel Bier, dass sie es sogar verkauft haben. Eine Kombination, die wir nicht ausschlagen konnten.
Die Kellnerin war so lieb und hat uns die fränkische Karte übersetzt. Was uns verdeutlicht wurde: die Franken haben echt Bock auf Essig.
"Blaue Zipferl" - Nürnberger Würstchen in Essig gekocht.
"Backsteinkäse" - Limburger Käse in Essig gebraten.
"Gerupfter" - Anderer Name für Obatzda, also Camembert/Frischkäse mit Kümmel, Paprika, Schnittlauch und natürlich... Essigzwiebeln.
Es ging also ein Bier nach dem anderen über den Tisch, um sich irgendwie das Wetter und die Kälte schön zu trinken. :-)
In der Nacht hörte es dann tatsächlich auf zu regnen und wir zogen am nächsten Morgen durch das wunderschöne Städtchen Bamberg.
Durch Bamberg zu laufen ist wie eine kleine Zeitreise. So viele Fachwerkhäuser und Jugendstil-Stadthäuser, Flüsschen, die sich durch die Stadt ziehen und Fassadenmalereien, die das Stadtbild schmücken. Wir können Bamberg als die schönste Stadt auf unserer bisherigen Route durch Bayern bezeichnen und müssen unbedingt noch einmal herkommen, da wir ja nur einmal durchgelaufen sind.
Von Bamberg aus haben wir dann mit dem Main-Radweg und später über Landstraßen, den Weg nordöstlich Richtung Schiefergebirge eingeschlagen. An einem Tag ist die Tour allerdings von den Kilometern und Höhenmetern nicht zu schaffen. Wir widmeten einen Tag also völlig dem Radfahren und versuchten bis zur Dunkelheit soweit wie möglich zu kommen. In Steinwiesen hinter Kronach schlugen wir unser Zelt einfach auf einer Wiese am Wegrand auf und kochten uns eine Fertigsuppe. Aber zumindest war diese mit lokalen Waldpilzen aus Bayern.
Am nächsten Tag standen wir früh mit der Sonne auf, um unsere Bergetappe anzutreten. Ca. 450 Höhenmeter auf 40Km, was im Schnitt recht harmlos erscheint. Doch handelte es sich um mehrere Anstiege mit jeweils 60-100 Höhenmetern, die uns dann schon die Kraft raubten.
Die Etappe hatte noch eine Besonderheit. Sie verlief über die ehemalige Grenze zwischen Westdeutschland (Bayern) und der DDR (Thüringen). Ein nettes älteres Pärchen, das uns abgekämpft auf einem Berg ankommen sah, kam dazu mit uns ins Gespräch. Es war wirklich spannend, von direkt betroffenen Menschen aus dieser unfassbaren Zeit zu hören. Sie erklärten, dass die Grenze zwischen ihren Dörfern verlief und sie Jahrzehnte lang den Kontakt zu Familienangehörigen und Freunden verloren. Besonders für sie war noch, dass sie ihr Trinkwasser auf der Bayrischen Seite über Bäche und Flüsse aus dem Osten bezogen. Sie hatten immer Angst, dass ihnen dort einmal etwas eingemischt oder die Zufuhr ganz abgegraben wird. Am Straßenrand erinnert noch eine Kulturtafel an das ehemalige Bestehen der Grenze, von der man heute nichts mehr erkennen kann. Ein Gedenkstein erinnert an die vielen ermordeten Menschen, die versuchten, in die Freiheit zu gelangen.
Wir erreichen Blankenstein und versorgen uns wieder mit einer neuen Radfahrkarte in der Touristeninformation, die zusätzlich mit gutem Mittagessen und Kuchen lockte. Hier trafen wir die freundlichste Person für die nächsten Tage in Thüringen und Sachsen. Bis auf Gespräche mit jüngeren Leuten haben wir tatsächlich kaum ein "Kundengespräch" erlebt, in dem wir nicht das Gefühl hatten, gerade zu stören oder unerwünscht zu sein. :-D Wir dachten, dass die schroffe "Berliner Schnauze" oder die offene Ruhpottmentalität abschreckend auf Fremde wirken kann, aber hier steht man uns Ruhrpottlern in nichts nach.
Angekommen an unserem Etappenziel Ziel, dem Nationalpark Saale/Schiefergebirge wollten wir noch ein paar Kilometer bis Saalfeld fahren. Die paar Kilometer entpuppten sich allerdings als ca. 90Km (Wir waren am Morgen schon ca. 40Km gefahren) mit ebenfalls vielen Höhenmetern. Hier rächte sich unsere nur grob ausgearbeitete Routenführung. Wir gingen davon aus, dass wie sonst auch ein Weg am Fluss- bzw. Stauseeufer entlang führte. Das tat er hier aber nicht. Sehr viele und sehr steile Steigungen über die Berge entlang des Saaleufers machten das Erreichen des Tagesziels Saalfeld unmöglich. Teilweise war es so steil, dass ich absteigen musste. Wir hatten das Gefühl, dass Thüringer*innen wirklich bergverliebt sind. Keine Straße und kein Weg führte durch ein Tal. Es ging immer von einer Bergspitze hinunter und dann hoch zur nächsten, wo die jeweiligen Orte lagen.
Also Hinweis: Den Saale Radweg zwischen Blankenstein und Saalfeld besser nur mit leichtem Gepäck und mit geübten Waden radeln. Vielleicht einen Tag mehr oder eine Etappe via Boot einplanen.
Als dann noch meine Hinterradbremse den Geist aufgab, war meine Stimmung am Tiefpunkt. Auch das nachziehen der Bremsseile sorgte nicht für Besserung. Ich zog die Bremse bis zum Anschlag an, doch es fehlte die Bremswirkung. Es schien, als müssten neue Belege her, wo kein Fahrradladen in der Nähe war. Ein paar Anstiege und Gefälle fuhren wir noch, doch ich musste teilweise schon mit den Füßen mitbremsen, was mir für die kommenden Kilometer wirklich zu gefährlich erschien. Und da wir den Zeitplan ohnehin nicht mehr einhalten konnten, um zu Lauras Geburtstag bei ihrer Freundin Katja in Leipzig zu sein, entschlossen wir uns die Bahn von Harra (Saale) nach Gera zu nehmen. Dort suchten wir uns ein Hotel für die Nacht. Es sollte ja auch noch immer Urlaub bleiben.
Sehr schöner Blog/Vlog!!! Macht weiter so 🙂