Wir treffen uns am Tag der Deutschen Einheit im Brandenburger-Outback mit einem Freund aus Berlin. Gemeinsam unternehmen wir eine Kanu-Tour auf der Havel. Die Region in der wir sind gehört zum UNESCO-Reservat zur besonders guten Sternbeobachtung.
„Pünktlich um 10:00 Uhr komme ich an“ textet uns Alex aus der Bahn Richtung Rathenow. Zeitgleich radeln wir aus einem Vorort los, um auch pünktlich am Bahnhof zu sein. Wir haben allerdings ein wenig unterschätzt, dass wir ja die 7km von Grütz wieder zurück in die Stadt radeln müssen und der Bahnhof von uns aus noch hinter dem Ort liegt.
Mit den etwas anderen Entfernungen im Brandenburger-Outback hatten wir bereits am Vorabend Erfahrung gemacht, als wir von unserer Unterkunft bei Kälte und ordentlich Gegenwind 7km zum nächsten Supermarkt fahren mussten, um für die nächsten Tage und natürlich für Alex´ Besuch einzukaufen.

Wir sind also nicht ganz pünktlich und Alex wartet schon auf uns, als wir über das Kopfsteinpflaster daher gescheppert kommen. Es ist das erste Mal, dass wir uns nicht mit einem einheimischen Bier am Bahnhof begrüßen, was hier in jedem Fall unser Versäumnis war. Egal wo wir uns zuvor getroffen haben, wurde es zur Tradition, dass der am Bahnhof wartende bereits lokales Bier organisierte. Wir haben leider vor Schusseligkeit diese Tradition unterbrochen.
Dass wir uns überhaupt wiedergefunden haben ist schon eine Story für sich. Alex und ich waren zusammen in der 9. und 10. Realschulklasse. Wir haben uns damals schon gut verstanden, aber irgendwie verloren wir uns aus den Augen, als wir auf verschiedene weiterführende Schulen gingen. Als Alex für das Studium nach Münster, Berlin und in verschiedene Auslandssemester wechselte und ich mit der Ausbildung anfing brach der Kontakt irgendwann leider ab. Einige Jahre später hatte ich Alex einfach mal eine SMS geschrieben, ob er nicht zu einem kleinen Treffen von alten Klassenkamerad*innen kommen möchte. Der Termin passte leider nicht, aber es stellte sich in unserem kurzen Gespräch heraus, dass wir beide zur gleichen Zeit in Freiburg studierten. Alex lebte dort und ich war immer wieder blockweise in der Stadt, für mein berufsbegleitendes Studium. Wir verabredeten uns in Freiburg und hatten uns von dort an echt wieder gefunden.
Zurück in Rathenow sorgen wir natürlich für einen nächstmöglichen Bier-Stopp. Da wir uns passend zum Tag der Deutschen Einheit im ehemaligen Ostdeutschland treffen, kommen wir perfekt zu kleinen Feierlichkeiten am Rathenower Optikpark vorbei. Die erste Bierbude ist unsere und im Hintergrund begleitet eine Blaskapelle unser Anstoßen auf die deutsche Einheit.
Ein paar Lübzer später und wieder im Nirgendwo angekommen beladen wir unsere Kanus oder Kajaks oder einfach Paddelboote mit weiterem Hopfendoping und Picknicktaschen. Laura ist dabei so mutig, dass sie sich ein Zweierboot alleine schnappt, was sich im starken Gegenwind noch öfter rächt. Alex und ich pflegen da eher die gemütliche Tour und paddeln so vor uns hin. Der Gegenwind ist wirklich sehr anstrengend doch Laura zieht uns, trotz ein paar Drehungen immer wieder davon. Irgendwas machen wir nicht richtig. Doch da es bei Männern ja nie an einem selbst liegt, kann es ja nur an der Technik und den Gegebenheiten liegen. Wir hatten an diesem Tag halt mit unserer Fahrlinie, dem Wind, der Strömung und unserem Boot „Betty“ einfach nicht die olympiataugliche Zusammenstellung für einen erfolgreichen Deutschlandzweier. ;-P



Es hat jedoch trotzdem riesig Spaß gemacht und wir hatten einen schönen, sonnigen Tag auf dem Wasser. Die an uns vorbeiziehenden Hausboote sahen auch sehr gemütlich und einladend aus. Damit von der Müritz nach Berlin zu fahren, haben wir uns für ein anderes Mal vorgenommen. Am Abend kochen wir was zusammen in der Ferienwohnung. Laura hatte die gute Idee, eine kräftige Käse-Lauch-Suppe zu kochen, die wir dann noch nach unserer Nachtwanderung als Mitternachtssüppchen essen können. Die Nachtwanderung soll uns einen gigantische Sternenpracht bescheren.
Info: Das Westhavelland ist durch seine geringe Lichtverschmutzung als UNESCO-Welterbe ausgewiesen. Es gilt als einer von wenigen Sternenparks in Deutschland und Europa. Regelmäßig werden Führungen angeboten. Es gibt allerdings nicht „Den Sternenpark“ mit Eingang und Umzäunung. Es handelt sich um ein großes Gebiet, das als Region zur besonders guten Sternenbeobachtung ausgewiesen wurde.
Wir packen uns also warm ein und laufen in eine Richtung, in der die Straßenlaternen schnell enden. Es ist ca. 21:00 Uhr und der Vollmond steigt gerade auf. Es ist absolut still um uns herum, nur wenige Vögel geben noch vereinzelt Laute von sich. Die Felder und Wälder sind in ein weißes Mondlicht getaucht und es ist schaurig schön, wie kleine Wolken den Mond umgeben und die Tannen große Schatten in die Nacht werfen. Und Sterne? Sterne sehen wir auch. Durch den hellen Mond leuchten diese jedoch nicht so stark, wie es in einer dunkleren Nacht wäre und leider zieht sich der Himmel mit dicken Wolken zu. Aber wir hatten einen Moment Sternengenuss und freuen uns auf eine warme Suppe.
Am nächsten Tag trennen sich unsere Wege wieder. Wir verabreden uns bereits für ein nächstes Treffen mit Alex und fahren nun weiter an der Havel entlang. Es rollt richtig gut. Auf überwiegend asphaltierten Wegen und ohne Steigungen erreichen wir schnell Havelberg für eine Kaffeepause. Im herzlich eingerichteten Alstadtcafé genießen wir eine Auszeit.

Dann geht es weiter vorbei an Herrenhäusern und durch Brandenburger Örtchen. Diese scheinen oft gleich aufgebaut zu sein. Eine Haupt- oder Dorfstraße ist mit Kopfsteinpflaster bedeckt und rechts und links gibt es einen mit Bäumen bepflanzten Grünstreifen, sowie einen gepflasterten Fußweg. Die einzelnen Häuser liegen quer am Straßenrand und sind meist mit zwei Eingängen versehen. Sie scheinen recht lang, da sie durch das Erdgeschoss mit aufgesetztem Satteldach recht niedrig sind. Es sind malerische Dörfchen, in denen auch die Geschichten von Astrid Lindgren hätten spielen können.

Und obwohl wir am Morgen nicht so recht in den Tritt kamen, radeln wir heute unsere längste Etappe mit knapp 110km. Dann muss aber auch wirklich ein Schlafplatz für die Nacht her. In einem Waldstück fällt uns eine Lichtung auf, die wir uns anschauen. Ein Bach schlängelt sich hindurch und verläuft in einer Schleife. Er bildet nahezu eine Insel – Die Liebesinsel, wie ein Schild verrät. Hier schlagen wir unser Zelt auf und schauen auch noch ein wenig in die Sterne. Am nächsten Tag werden wir dann unserem Weg in Richtung mecklenburigscher Seenplatte fortsetzen. Mal sehen, was uns dort erwartet.

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